Autonomes Fahren – eine Bestandsaufnahme

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Das Thema autonomes Fahren – kaum ein anderes Thema begleitet uns aktuell so sehr und erhitzt die Gemüter. Abseits vom Mainstream oder was dafür gehalten wird schreibe ich meine Gedanken zu diesem Thema nieder – natürlich ohne jeden Anspruch darauf, alle für uns relevanten Aspekte berücksichtigt zu haben; dies ist letztendlich aber auch gar nicht mein Ziel.

Nun aber zum Thema:

Ich gehe davon aus, dass unsere Fahrzeuge nicht erst in 20 oder 25 Jahren autonom fahren werden. Wir werden diese Technik viel früher erleben, da die Bemühungen, noch vorhandene technische Probleme zu lösen, derzeit nicht nur – wie in früheren Zeiten – lokal, sondern global gelöst werden. Ein Wettbewerb über die möglichst rasche Lösung dieser Probleme hat längst begonnen.

Zudem denke ich beim Thema autonomes Fahren nicht zu allererst an unsere PKW, sondern auch an LKW. Mich erstaunt immer wieder, wie sehr die Diskussion um das autonome Fahren auf das Fahrzeug PKW reduziert wird, sollte man doch davon ausgehen, dass die Logistikbranche ein besonderes Interesse daran haben sollte, ihre LKW mehr oder weniger vollautomatisiert durch die Lande rollen zu lassen: Die Routen sind, da oft wiederkehrend, besonders gut plan- und berechenbar. Zudem finden sie ihre Verkehrswege vor allem auf Straßen, die eher niedrigschwellige Anforderungen an autonome Systeme stellen (Kraftfahr- und Landstraßen sowie Autobahnen). Auch Techniken wie das sog. „Platooning“ (LKW bilden als Fahrzeugverbund quasi ein einziges virtuelles Fahrzeug) werden in diesem Zusammenhang von besonderer Relevanz sein.

Entgegen der verwendeten Begrifflichkeit werden autonom fahrende Fahrzeuge keinesfalls in einem ausschließlich isolierten Umfeld vollständig eigenständig agieren. Vielmehr werden sie Teil eines Netzwerkes sein. Diesem Netzwerk werden viele, wenn nicht gar alle anderen autonom fahrenden Fahrzeuge angehören. Es werden in Echtzeit große Datenmengen produziert, mit dem Netzwerk ausgetauscht und ausgewertet. Diese Interaktion erfordert neben einer hohen Rechenleistung der im Netzwerk eingebundenen Systeme (Netzwerk-Server, lokale Knotenrechner z.B. an Ampeln sowie Rechner in den Fahrzeugen) vor allem eine neue Mobilfunktechnologie. Diese neue Technologie ist bereits in der Entwicklung (LTE 5G) und wird rasch große Reichweiten erzielen. Ein globaler Ausbau wird analog zum Ausbau vorherigen Mobilfunklösungen aber nur sukzessive erfolgen. Infolge dessen wird in den noch nicht mit diesem Netzwerk versorgten Gebieten ein autonomes Fahren nur verzögert realisiert werden.

Autonom fahrende Fahrzeuge versetzen uns in die Lage, auf ein eigenes Fahrzeug zu verzichten. Weshalb sollten wir uns die hohen Fixkosten (Anschaffungskosten, Unterhaltungskosten und vor allem den Umstand, dass das Fahrzeug in der Regel zum Großteil des Tages ineffektiv herumsteht) sowie die Notwendigkeit, einen Stellplatz (Garage, Parkplatz) für das Fahrzeug bereitzustellen, antun? Wird es doch ein Leichtes sein, z.B. als Mitglied einer Carsharing-Community ein autonomes Fahrzeug zu nutzen. Sofern in ausreichender Anzahl und akzeptabler Nähe Carsharing-Fahrzeuge zur Verfügung stehen, werden wir kaum noch Gründe finden, die für den Besitz eines eigenen Fahrzeugs sprechen. Natürlich werden auch weiterhin Menschen das Auto als ihr Hobby ansehen bzw. eine besondere emotionale Bindung an ihr Fahrzeug aufbauen bzw. diese bewahren. Diese Menschen werden vielleicht eher für Routinefahren ein autonom fahrendes Fahrzeug nutzen, in ihrer Freizeit aber weiterhin ein eigenes Fahrzeug nutzen wollen.

Der geneigte Leser mag nun einwenden, dass viele Arbeitnehmer als Pendler zwischen ihrem Zuhause und ihrem Arbeitsplatz ein eigenes Fahrzeug benötigen und ein Carsharing-Angebot daher für sie nicht in Frage kommt. Dies mag auf den ersten Blick der Fall sein. Aber beachte man jedoch die Veränderungen unserer Arbeitswelt bzw. die Auswirkungen der verschiedenen zukünftigen Arbeitsformen: Die Digitalisierung der Arbeitswelt bringt völlig neue Arbeitsmodelle mit sich bzw. ermöglicht andere örtliche und zeitliche Formen der Zusammenarbeit. Clickworker arbeiten ausschließlich ihre Aufträge im Netz ab. Das Arbeiten in virtuellen Teams wird es uns ermöglichen, mobil zu arbeiten. Natürlich wird es notwendig und auch sinnvoll sein, Präsenztermine wahrzunehmen. Aber diese neuen Formen der Arbeitswelt werden eine geringere, zumindest beruflich bedingte Mobilität zur Folge haben, wenn wir von Arbeitsformen absehen, die eine ausschließliche Präsenz am Arbeitsort erfordern (Arbeiten in Fabriken, etc.) – dies sollte im Übrigen aber eh nicht nur aus ökologischen Gründen eine Selbstverständlichkeit sein. Es wird höchste Zeit, sich den wirklichen Herausforderungen der digitalisierten Arbeitswelt zu stellen. Diese sind weniger technischer, sondern vielmehr sozialer Natur (z.B. kommt der Synchronisierung innerhalb der Teams eine völlig neue Bedeutung zu). Ein ebenfalls interessantes Thema, dem ich mich vielleicht einem zukünftigen Artikel widmen werde.

Man beachte die ungeheuren Auswirkungen dieser Entwicklungen auf unsere Automobilindustrie: Als Nutzer eines Carsharing-Fahrzeuges wird es für uns Nutzer völlig unerheblich sein, welcher Autobauer das Fahrzeug gefertigt hat. Das Fahrzeug hat nur den einzigen Zweck, uns rasch, bequem und zuverlässig von A nach B zu bringen. Welches Logo am Fahrzeug prangt, wird für uns völlig irrelevant sein. Eine heute vorhandene Differenzierung der Marken findet neben technischen Daten auch über emotionale Faktoren statt (so verfügt eine Firma Porsche ähnlich dem Smartphone-Hersteller Apple weniger über klassische Kunden, sondern diese stellen mehr oder weniger gar Fans dar). Diese Fans werden auch zukünftig nur Fahrzeuge „ihrer“ Marke kaufen bzw. fahren wollen. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Kunden die Minderheit darstellen werden. Die Mehrzahl wird als Mitglied einer Carsharing-Community autonome Fahrzeuge nutzen – unbhängig davon, für welche Marken sich die Carsharing-Community letztendlich entscheidet.

War es in meiner Jugend das absolut erstrebenswerte Ziel, möglichst rasch den Führerschein zu machen, um sodann endlich ein eigenes Auto zu besitzen, so findet an diesem Punkt derzeit offenbar ein Wertewandel statt. Zumindest in den Ballungsräumen ist es nicht mehr das primäre Ziel der jungen Menschen, so rasch wie möglich eine Fahrlizenz zu erhalten (geschweige denn ein eigenes Fahrzeug zu besitzen). Das eigene Auto als Statussymbol bei jungen Menschen verliert mehr und mehr an Bedeutung. Es kann daher angenommen werden, dass auch an dieser Stelle autonom fahrende Carsharing-Fahrzeuge für diese Zielgruppe mehr und mehr relevant werden.

Soviel zu meinen Überlegungen im Herbst 2017 zum Thema autonomes Fahren. Wie spannend wäre es, diesen Artikel in 10 oder 20 Jahren zu lesen und ihm einem Reality-Check zu unterwerfen! Daher: sollte es hier den einen oder anderen Zeitreisenden geben, der diesen Artikel liest – fühl dich frei, mir eine Nachricht oder einen Kommentar zu hinterlassen! Du hast ja Zeit. 😉

Mehr zum Thema:

Daimler zum Thema „Platooning“
Der Mobilfunkstandard 5G – erklärt auf Wikipedia
Spiegel Online : Warum junge Menschen keinen Führerschein machen
„Clickworker“ – Begriffsklärung auf Wikipedia

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